JeKi (Jedem Kind ein Instrument)

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Das Projekt „Jedem Kind ein Instrument“, kurz JeKi genannt, ist eine musikalische Bildungsinitiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, bis zum Jahr 2010 jedem Grundschulkind des Ruhrgebiets die Möglichkeit zu bieten, ein Musikinstrument eigener Wahl zu erlernen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat inzwischen zugesagt, das Programm auch über das Jahr 2010 hinaus weiter zu fördern, zudem soll es auch über das Ruhrgebiet hinaus auf das ganze Bundesland ausgeweitet werden.[1]

Dieser Artikel befasst sich mit dem Pilotprojekt im Ruhrgebiet; seit dem Schuljahr 2008/2009 gibt es „Jedem Kind ein Instrument“ jedoch auch in 70 hessischen Grundschulen, außerdem seit dem Schuljahr 2009/2010 in Hamburg sowie in einigen sächsischen Grundschulen.[2] Pläne für ähnliche Projekte gibt es inzwischen auch in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland und Thüringen.[3]


Das Programm

Die von der Kulturstiftung des Bundes, dem Land Nordrhein-Westfalen und der Zukunftsstiftung Bildung in der GLS Treuhand e.V. entwickelte Initiative ist ein Beitrag zum Programm der Kulturhauptstadt Europas 2010; mehr als 50 JeKi-Konzerte veranstalten die am Programm teilnehmenden Musikschulen in diesem Jahr. Trägerin des Programms ist die gemeinnützige Stiftung Jedem Kind ein Instrument, Schirmherr ist der Bundespräsident.[4]

Im ersten Schuljahr nehmen alle Kinder der beteiligten Grundschulen kostenlos am JeKi-Programm teil. Sie lernen im von Musikschul- und Grundschullehrkräften gemeinsam gestalteten Unterricht („Tandemunterricht“) eine Vielzahl an Instrumenten kennen und wählen schließlich ihr Lieblingsinstrument für den weiteren Unterricht aus. Zur Wahl stehen neben den gängigen Streich- und Blasinstrumenten auch Instrumente wie Akkordeon, verschiedene Schlaginstrumente, Gitarre, Mandoline oder Baglama (türkische Langhalslaute). Zudem lernen die Kinder die verschiedenen musikalischen Parameter kennen und werden so auf den Instrumentalunterricht im folgenden Schuljahr vorbereitet. Im Anschluss an das erste Jahr können sich die Kinder entscheiden, ob sie weiterhin am Programm teilnehmen möchten oder nicht, wobei sich weit mehr als die Hälfte der Kinder für eine weitere Teilnahme entscheidet, wie aus den Teilnehmerzahlen hervorgeht (siehe Geschichte: Aktuelle Zahlen und Fakten).

Ab dem zweiten Schuljahr bekommen die Kinder das von ihnen gewählte Musikinstrument als kostenlose Leihgabe für den Unterricht und für das Üben zu Hause. Sie erhalten einmal pro Woche Instrumentalunterricht in Gruppen von durchschnittlich fünf Kindern. Die Teilnahme kostet im zweiten Schuljahr monatlich 20€.

In der dritten und vierten Klasse kommt zum Instrumentalunterricht das Zusammenspiel im jahrgangsübergreifenden Schulorchester, das ebenfalls einmal pro Woche probt, hinzu. Am Ende eines jeden Schuljahres findet ein Abschlusskonzert statt. Im dritten und vierten Schuljahr kostet die Teilnahme jeweils 35€ pro Monat.

Im Vordergrund stehen das gemeinsame Musizieren und das damit verbundene Erlernen von musikalischer und sozialer Kompetenz. Es gibt keine Zensuren. Damit die Kinder aber auf den verschiedenen Instrumenten gemeinsam in einer Tonart spielen können, ist ein anderer Einstieg im ersten Instrumentaljahr nötig als im regulären Musikschulunterricht, insbesondere müssen auf manchen Instrumenten zunächst andere Tonräume gelernt werden.[5]

Aus diesem Grund und wegen der Notwendigkeit neuer Unterrichtsformen (z.B. Tandemunterricht, binnendifferenzierter Instrumentalunterricht in Gruppen) werden von der JeKi-Stiftung und von den Kooperationspartnern, den Musikhochschulen in Düsseldorf, Münster und Essen, der Landesmusikakademie NRW, dem LVDM NRW und der LAG Musik regelmäßig Fortbildungen für die am Programm beteiligten Lehrkräfte angeboten.[6]

Geschichte

Das Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ startete 2003 in Bochum als Kooperation der städtischen Musikschule, der Zukunftsstiftung Bildung in der GLS Treuhand e.V. und der Grundschulen und war zunächst als zweijähriges Projekt und damit lediglich für Kinder des 1. und 2. Schuljahres konzipiert. Die Kulturstiftung des Bundes, das Land Nordrhein-Westfalen und die Zukunftsstiftung Bildung beschlossen im Jahr 2007, aufbauend auf den Erfolg des Bochumer Projekts[7] und anlässlich der Kulturhauptstadt Ruhr 2010, das Projekt zeitlich und räumlich auszudehnen. Mit neuem Konzept und unter der Trägerschaft einer eigens dafür gegründeten Stiftung wurde das Bochumer Projekt auf das ganze Ruhrgebiet ausgeweitet.[8]

Mit Beginn des Schuljahres 2009/2010 startete neben anderen Bundesländern auch ein JeKi-Programm in Hamburg. Bis 2012 sollen an diesem annähernd 10.000 Kinder teilnehmen.[9]

Aktuelle Zahlen und Fakten

Schuljahr 2007/2008 (Start des Programms):

34 Kommunen und 34 Musikschulen des Ruhrgebiets, 223 kooperierende Grundschulen, 7.100 Erstklässler (von 12.400 Erstklässlern)

Schuljahr 2008/2009 (schrittweise Ausdehnung):

41 Kommunen und 49 Musikschulen des Ruhrgebiets, 370 kooperierende Grundschulen, 19.600 Erstklässler (alle Erstklässler der teilnehmenden Schulen) und 6.300 Zweitklässler

Schuljahr 2009/2010 (schrittweise Ausdehnung):

42 Kommunen und 56 Musikschulen des Ruhrgebiets, 522 kooperierende Grundschulen, 27.700 Erstklässler (alle Erstklässler der teilnehmenden Schulen), 11.600 Zweitklässler und 4.000 Drittklässler[10]

Gebührenbefreiung und Stipendien

Das JeKi-Projekt richtet sich explizit an alle Grundschulkinder. Um die Integration aller zu gewährleisten, gibt es Stipendien und die Möglichkeit der Gebührenbefreiung.

So zahlen Kinder aus Familien, die ALG II oder Sozialhilfe empfangen, keine Beiträge. Zudem gibt es die Möglichkeit, ein Stipendium zu beantragen, z.B. für Familien, bei denen mehrere Kinder am Programm teilnehmen.[11]

Finanzierung

Das JeKi-Programm kostet im Ruhrgebiet bis zum Schuljahr 2010/2011 rund 55,4 Millionen Euro. Davon stellt die Kulturstiftung des Bundes 10 Mio. Euro, das Land Nordrhein-Westfalen 15,4 Mio. Euro und die Zukunftsstiftung Bildung in der GLS Treuhand e.V. 630.000 Euro bereit. Die Kommunen beteiligen sich mit 2,5 Mio. Euro. Die Teilnahmegelder betragen voraussichtlich rund 14,35 Mio. Euro. Für die Anschaffung der Instrumente und den Stipendienfonds müssen demnach rund 12,5 Mio. Euro an Spenden eingeworben werden.[12]

Forschung

Seit 2009 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die wissenschaftliche Evaluation der JeKi-Programme im Ruhrgebiet und in Hamburg, um die empirische Bildungsforschung im musikpädagogischen Bereich voranzubringen. Die Ergebnisse sollen zudem in die Praxis zurückgeführt werden und so zur kritischen Reflexion und möglicherweise zu einer Weiterentwicklung des Programms beitragen.

Das Forschungsprogramm ist zunächst auf vier Jahre angelegt, es fließen bis 2013 jährlich eine Millionen Euro in die Evaluation. 25 Wissenschaftler aus den Disziplinen Musikpädagogik, Musikwissenschaft, Musikpsychologie, Psychologie und Erziehungs-wissenschaft sind daran beteiligt. Die zentrale Koordinierungsstelle befindet sich an der Universität Bielefeld, während die Universität Bremen den zentralen Datenpool verwaltet.[13]

KinderOrchesterRuhr

Das seit März 2008 bestehende KinderOrchesterRuhr ist ein ergänzendes Angebot zum JeKi-Programm. Derzeit musizieren rund 60 junge Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von wechselnden Dirigentinnen und Dirigenten im Orchester.

Schülerinnen und Schüler von acht bis 14 Jahren können sich dem Orchester anschließen, unabhängig davon, ob sie bereits am Programm teilnehmen oder bloß eine Möglichkeit zum Ensemblespiel zusätzlich zum Instrumentalunterricht in der Musikschule suchen. Neben Konzerten im Ruhrgebiet unternimmt das Orchester auch bundesweite Reisen.[14]

Probleme des Programms

Das größte Problem des JeKi-Programms im Ruhrgebiet besteht darin, dass durch die schnelle Expansion inzwischen Lehrkräfte fehlen. Zudem sind die Anforderungen an diese enorm hoch und sie müssen sich in sehr kurzer Zeit auf völlig neue Unterrichtsformen und -situationen einstellen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass nicht alle Grundschulen ausreichend große Räumlichkeiten für den Instrumentalunterricht sowie die Lagerung der Instrumente besitzen, und dass die Kooperationen zwischen Musikschulen und Grundschulen nicht immer reibungslos funktionieren.

Auch können nicht alle Kinder, die ihr Instrument im Anschluss an die Grundschule weiterlernen möchten, an einer Musikschule aufgenommen werden, da deren Kapazitäten nicht ausreichen; an den Musikschulen gibt es außerdem keine Gebührenbefreiung, so dass die von „JeKi“ angestrebte Chancengleichheit mit dem Ende der Grundschulzeit endet.[15]

Literatur

  • Beckers, Erich; Beckers, Renate: Faszination Musikinstrument - Musikmachen motiviert: Bericht über die zweijährige Evaluationsforschung zum Bochumer Projekt „Jedem Kind ein Instrument“, Theorie und Praxis der Musikvermittlung: Bd. 7, Berlin: Lit-Verlag, 2008

Weblinks

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. vgl. http://www.musikpaedagogik-online.de/newsarchive/show,2296.html (16.03.2010)
  2. vgl. Pressemitteilungen der BSB Hamburg vom 09.01.2009, des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 26.12.2008 sowie des Kultusministeriums Hessen vom 08.08.2008 (16.03.2010)
  3. vgl. http://www.jedemkind.de/aktuelles/archiv.php (16.03.2010)
  4. vgl. http://www.jedemkind.de/programm/home.php sowie http://www.jedemkind.de/aktuelles/home.php
  5. vgl. http://www.jedemkind.de/programm/informationen/informationen.php, http://www.jedemkind.de/programm/informationen/grundlagen.php sowie http://www.jedemkind.de/programm/eltern/teilnahme.php (16.03.2010)
  6. vgl. http://www.jedemkind.de/programm/fortbildung/fortbildung.php (16.03.2010)
  7. Der alles in allem sehr erfolgreiche Verlauf des Programms in Bochum geht eindeutig aus dem Bericht von Erich und Renate Beckers hervor; vgl. hierzu insbesondere Beckers, S. 191f.
  8. vgl. http://www.jedemkind.de/programm/informationen/geschichte.php (16.03.2010) sowie Beckers, S. 19
  9. vgl. Pressemitteilung der BSB Hamburg vom 09.01.2009 (16.03.2010)
  10. vgl. http://www.jedemkind.de/programm/home.php
  11. vgl. http://www.jedemkind.de/programm/eltern/teilnahme.php (16.03.2010)
  12. vgl. http://www.jedemkind.de/programm/informationen/informationen.php (16.03.2010)
  13. vgl. http://www.jedemkind.de/programm/informationen/forschung.php (16.03.2010)
  14. vgl. http://www.jedemkind.de/programm/kinderorchesterruhr/kinderorchesterruhr.php sowie http://www.jedemkind.de/programm/kinderorchesterruhr/konzept.php (16.03.2010)
  15. vgl. Bossen sowie Lepenies (16.03.2010)