Liedbegleitung: Unterschied zwischen den Versionen

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Der Begriff Liedbegleitung beschreibt einerseits das Begleiten eines Kunstliedes mit einem kompositorisch festgelegten [[Klaviersatz]] und andererseits das improvisatorische Begleiten eines Liedes.
Der Begriff Liedbegleitung beschreibt einerseits das Begleiten eines Kunstliedes mit einem kompositorisch festgelegten Klaviersatz und andererseits das improvisatorische Begleiten eines Liedes.
In der Geschichte des Liedes erlangte die Klavierbegleitung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine immer größere Bedeutung. Nachdem das [[Klavier]] zuvor in Generalbassmanier bloß eine harmonische und rhythmische Stütze für den Gesang geboten hatte, interagierte es nun stärker mit der Gesangsstimme. Zum Teil wurde nicht mehr nur durch Melodie und Harmonik, sondern auch mit Hilfe des Klaviersatzes der Text interpretiert (z.B. der Bach im Liederzyklus „Die Schöne Müllerin“ von Franz Schubert). Demzufolge wurde das Klavier nun auch häufig virtuos eingesetzt.
In der Geschichte des Liedes erlangte die Klavierbegleitung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine immer größere Bedeutung. Nachdem das [[Klavier]] zuvor in Generalbassmanier bloß eine harmonische und rhythmische Stütze für den Gesang geboten hatte, interagierte es nun stärker mit der Gesangsstimme. Zum Teil wurde nicht mehr nur durch Melodie und Harmonik, sondern auch mit Hilfe des Klaviersatzes der Text interpretiert (z.B. der Bach im Liederzyklus „Die Schöne Müllerin“ von Franz Schubert). Demzufolge wurde das Klavier nun auch häufig virtuos eingesetzt.
Im Schulalltag spielt diese kompositorisch festgelegte Form der Klavierbegleitung aber eine untergeordnete Rolle. Zwar mag sie als Demonstration innerhalb einer Unterrichtsreihe zum Thema „Kunstlied“ eine sinnvolle Einbettung im Unterricht darstellen. Im Vordergrund steht dort allerdings die improvisatorische Art der Liedbegleitung, zumeist mit Hilfe von Leadsheets, auf denen im Regelfall Melodie, Text und Harmonien sowie eine kurze Charakterbeschreibung, bzw. stilistische Einordnung (z.B. „Ruhig“, „Latin“, „Rock“) vermerkt sind.
Für Volkslieder, Pop- und Musicalsongs sowie Jazzstandards gibt es in der Regel keine festgelegten Klaviersätze. Zwar gibt es zahlreiche Bücher, in denen auskomponierte Arrangements beliebter Lieder für Klavier und Stimme veröffentlicht sind, allerdings handelt es sich dabei – im Gegensatz zur Klavierbegleitung beim [[Kunstlied]] – lediglich um Vorschläge und nicht um verbindlich einzuhaltende Begleitungen.
Über solche beispielhaften Klaviersätze hinaus gibt es Fachliteratur, mit deren Hilfe die Fähigkeit zu improvisatorischem Liedbegleiten erworben bzw. vertieft werden kann. Die meisten dieser Liedbegleitungsschulen befassen sich mit der Begleitung verschiedener Stilistiken: [[Volkslied]], internationale [[Folklore]], [[Pop]], [[Rock]], [[Latin]], [[Blues]], [[Boogie]], [[Gospel]], [[Jazz]] etc. Zentrales Element ist neben der Vermittlung grundlegender Kenntnisse für eine jeweils stilgerechte Harmonisierung die Vermittlung spezifischer [[Begleitpatterns]], mit deren Hilfe ein Lied entsprechend stilgerecht begleitet werden kann. Dabei handelt es sich um wiederkehrende rhythmisierte Spielfiguren, die auf die im Lied vorhandenen Harmonien angewendet werden können. Obwohl die Arbeit mit Begleitpatterns insbesondere mit Populärer Musik in Verbindung gebracht wird, ist häufig auch die „klassische“ Begleitung traditioneller (Volks-)Lieder an Patterns orientiert und leitet sich aus Satz- und Figurationstechniken der abendländischen Musikgeschichte ab (als Beispiele sind eine choralartige Begleitung, der Alberti-Bass oder zahlreiche Begleitfiguren für romantische Kunstlieder zu nennen). Ein wesentliches Element, das die Beschäftigung mit stiltypischen Patterns aber besonders für Lieder afroamerikanischer Herkunft interessant macht, ist deren meist stark ausgeprägte rhythmische Ebene, die in der Begleitung bestmöglich umgesetzt werden sollte, obwohl diese auf dem [[Leadsheet]] häufig gar nicht angedeutet wird.
Das Ziel ist dabei aber nicht die einwandfreie Anwendung solcher Patterns auf ein beliebiges Stück, sondern eine individuelle, abwechslungsreiche und stilgetreue Begleitung, die auf Grundlage von Patterns aufgebaut sein kann. Ebenso kann frei mit den auf den Leadsheets vorgeschlagenen Harmonien umgegangen werden. Auf diese Weise können beispielsweise die verschiedenen Strophen eines Liedes sowie Vor-, Zwischen- und Nachspiel abwechslungsreich gestaltet werden. Hier kommt der improvisatorische Aspekt ins Spiel, den Günther Noll bereits 1970 wie folgt beschrieb:


"[Es handelt] sich bei der eigentlichen Sing-Begleitung um freie Reproduktionen eigener, aus improvisierendem Spiel herausgewachsener, reifer, durch kritisches Auswahlhören durchgeformter und dadurch in ihrer musikalischen Aussage verdichteter Formen, wobei die Akzentuierung trotz der Harmonisie-rungsaufgabe auf der freien Gestaltung liegt."
Im Schulalltag spielt diese kompositorisch festgelegte Form der Klavierbegleitung aber eine untergeordnete Rolle. Zwar mag sie als Demonstration innerhalb einer Unterrichtsreihe zum Thema „Kunstlied“ eine sinnvolle Einbettung im Unterricht darstellen. Im Vordergrund steht dort allerdings die improvisatorische Art der Liedbegleitung, zumeist mit Hilfe von [[Leadsheet|Leadsheets]], auf denen im Regelfall Melodie, Text und Harmonien sowie eine kurze Charakterbeschreibung, bzw. stilistische Einordnung (z.B. „Ruhig“, „Latin“, „Rock“) vermerkt sind.
 
Für Volkslieder, Pop- und Musicalsongs sowie Jazzstandards gibt es in der Regel keine festgelegten Klaviersätze. Zwar gibt es zahlreiche Bücher, in denen auskomponierte Arrangements beliebter Lieder für [[Klavier]] und Stimme veröffentlicht sind, allerdings handelt es sich dabei – im Gegensatz zur Klavierbegleitung beim [http://de.wikipedia.org/wiki/Kunstlied Kunstlied] – lediglich um Vorschläge und nicht um verbindlich einzuhaltende Begleitungen.
 
Über solche beispielhaften Klaviersätze hinaus gibt es Fachliteratur, mit deren Hilfe die Fähigkeit zu improvisatorischem Liedbegleiten erworben bzw. vertieft werden kann. Die meisten dieser Liedbegleitungsschulen befassen sich mit der Begleitung verschiedener Stilistiken: Volkslied, internationale Folklore, Pop, Rock, Latin, Blues, Boogie, Gospel, Jazz etc. Zentrales Element ist neben der Vermittlung grundlegender Kenntnisse für eine jeweils stilgerechte Harmonisierung die Vermittlung spezifischer Begleitpatterns ([[Pattern]]), mit deren Hilfe ein Lied entsprechend stilgerecht begleitet werden kann. Dabei handelt es sich um wiederkehrende rhythmisierte Spielfiguren, die auf die im Lied vorhandenen Harmonien angewendet werden können. Obwohl die Arbeit mit Begleitpatterns insbesondere mit Populärer Musik in Verbindung gebracht wird, ist häufig auch die „klassische“ Begleitung traditioneller (Volks-)Lieder an Patterns orientiert und leitet sich aus Satz- und Figurationstechniken der abendländischen Musikgeschichte ab (als Beispiele sind eine choralartige Begleitung, der Alberti-Bass oder zahlreiche Begleitfiguren für romantische Kunstlieder zu nennen). Ein wesentliches Element, das die Beschäftigung mit stiltypischen Patterns aber besonders für Lieder afroamerikanischer Herkunft interessant macht, ist deren meist stark ausgeprägte rhythmische Ebene, die in der Begleitung bestmöglich umgesetzt werden sollte, obwohl diese auf dem Leadsheet häufig gar nicht angedeutet wird.


Das Ziel ist dabei aber nicht die einwandfreie Anwendung solcher Patterns auf ein beliebiges Stück, sondern eine individuelle, abwechslungsreiche und stilgetreue Begleitung, die auf Grundlage von Patterns aufgebaut sein kann. Ebenso kann frei mit den auf den Leadsheets vorgeschlagenen Harmonien umgegangen werden. Auf diese Weise können beispielsweise die verschiedenen Strophen eines Liedes sowie Vor-, Zwischen- und Nachspiel abwechslungsreich gestaltet werden. Hier kommt der improvisatorische Aspekt ins Spiel, den Günther Noll bereits 1970 wie folgt beschrieb:


'''Literatur'''
<blockquote>''„[Es handelt] sich bei der eigentlichen Sing-Begleitung um freie Reproduktionen eigener, aus improvisierendem Spiel herausgewachsener, reifer, durch kritisches Auswahlhören durchgeformter und dadurch in ihrer musikalischen Aussage verdichteter Formen, wobei die Akzentuierung trotz der Harmonisierungsaufgabe auf der freien Gestaltung liegt.“''</blockquote>


Mayer, Wolfgang: „Rhythmus Patterns. Blaupausen für einen stiltypischen Klaviersatz populärer Lieder“ In: Rolle, Christian/Schneider, Herbert (Hg.): Rhythmus! Studien und Materialien zur musikpädagogischen Arbeit über und mit Rhythmen. S.94-104; Regens-burg ConBrio 2009
== Literatur ==


Noll, Günther: Liedbegleitung. Improvisierte Spielformen und Begleitmodelle am Klavier; Mainz: Schotts Söhne 1970
* Mayer, Wolfgang: „Rhythmus Patterns. Blaupausen für einen stiltypischen Klaviersatz populärer Lieder“ In: Rolle, Christian/Schneider, Herbert (Hg.): Rhythmus! Studien und Materialien zur musikpädagogischen Arbeit über und mit Rhythmen. S.94-104; Regensburg ConBrio 2009
* Noll, Günther: Liedbegleitung. Improvisierte Spielformen und Begleitmodelle am Klavier; Mainz: Schotts Söhne 1970
* Wünsch, Christoph: Moderne Liedbegleitung. Harmonik Klaviersatz Stil Improvisation.; Wolfenbüttel: Möseler 1994


Wünsch, Christoph: Moderne Liedbegleitung. Harmonik Klaviersatz Stil Improvisation.; Wolfenbüttel: Möseler 1994
[[Kategorie:Schulische Ensembleleitung]]
[[Kategorie:Klassenmusizieren]]
[[Kategorie:Singen]]

Aktuelle Version vom 29. Dezember 2015, 09:10 Uhr

Der Begriff Liedbegleitung beschreibt einerseits das Begleiten eines Kunstliedes mit einem kompositorisch festgelegten Klaviersatz und andererseits das improvisatorische Begleiten eines Liedes. In der Geschichte des Liedes erlangte die Klavierbegleitung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine immer größere Bedeutung. Nachdem das Klavier zuvor in Generalbassmanier bloß eine harmonische und rhythmische Stütze für den Gesang geboten hatte, interagierte es nun stärker mit der Gesangsstimme. Zum Teil wurde nicht mehr nur durch Melodie und Harmonik, sondern auch mit Hilfe des Klaviersatzes der Text interpretiert (z.B. der Bach im Liederzyklus „Die Schöne Müllerin“ von Franz Schubert). Demzufolge wurde das Klavier nun auch häufig virtuos eingesetzt.

Im Schulalltag spielt diese kompositorisch festgelegte Form der Klavierbegleitung aber eine untergeordnete Rolle. Zwar mag sie als Demonstration innerhalb einer Unterrichtsreihe zum Thema „Kunstlied“ eine sinnvolle Einbettung im Unterricht darstellen. Im Vordergrund steht dort allerdings die improvisatorische Art der Liedbegleitung, zumeist mit Hilfe von Leadsheets, auf denen im Regelfall Melodie, Text und Harmonien sowie eine kurze Charakterbeschreibung, bzw. stilistische Einordnung (z.B. „Ruhig“, „Latin“, „Rock“) vermerkt sind.

Für Volkslieder, Pop- und Musicalsongs sowie Jazzstandards gibt es in der Regel keine festgelegten Klaviersätze. Zwar gibt es zahlreiche Bücher, in denen auskomponierte Arrangements beliebter Lieder für Klavier und Stimme veröffentlicht sind, allerdings handelt es sich dabei – im Gegensatz zur Klavierbegleitung beim Kunstlied – lediglich um Vorschläge und nicht um verbindlich einzuhaltende Begleitungen.

Über solche beispielhaften Klaviersätze hinaus gibt es Fachliteratur, mit deren Hilfe die Fähigkeit zu improvisatorischem Liedbegleiten erworben bzw. vertieft werden kann. Die meisten dieser Liedbegleitungsschulen befassen sich mit der Begleitung verschiedener Stilistiken: Volkslied, internationale Folklore, Pop, Rock, Latin, Blues, Boogie, Gospel, Jazz etc. Zentrales Element ist neben der Vermittlung grundlegender Kenntnisse für eine jeweils stilgerechte Harmonisierung die Vermittlung spezifischer Begleitpatterns (Pattern), mit deren Hilfe ein Lied entsprechend stilgerecht begleitet werden kann. Dabei handelt es sich um wiederkehrende rhythmisierte Spielfiguren, die auf die im Lied vorhandenen Harmonien angewendet werden können. Obwohl die Arbeit mit Begleitpatterns insbesondere mit Populärer Musik in Verbindung gebracht wird, ist häufig auch die „klassische“ Begleitung traditioneller (Volks-)Lieder an Patterns orientiert und leitet sich aus Satz- und Figurationstechniken der abendländischen Musikgeschichte ab (als Beispiele sind eine choralartige Begleitung, der Alberti-Bass oder zahlreiche Begleitfiguren für romantische Kunstlieder zu nennen). Ein wesentliches Element, das die Beschäftigung mit stiltypischen Patterns aber besonders für Lieder afroamerikanischer Herkunft interessant macht, ist deren meist stark ausgeprägte rhythmische Ebene, die in der Begleitung bestmöglich umgesetzt werden sollte, obwohl diese auf dem Leadsheet häufig gar nicht angedeutet wird.

Das Ziel ist dabei aber nicht die einwandfreie Anwendung solcher Patterns auf ein beliebiges Stück, sondern eine individuelle, abwechslungsreiche und stilgetreue Begleitung, die auf Grundlage von Patterns aufgebaut sein kann. Ebenso kann frei mit den auf den Leadsheets vorgeschlagenen Harmonien umgegangen werden. Auf diese Weise können beispielsweise die verschiedenen Strophen eines Liedes sowie Vor-, Zwischen- und Nachspiel abwechslungsreich gestaltet werden. Hier kommt der improvisatorische Aspekt ins Spiel, den Günther Noll bereits 1970 wie folgt beschrieb:

„[Es handelt] sich bei der eigentlichen Sing-Begleitung um freie Reproduktionen eigener, aus improvisierendem Spiel herausgewachsener, reifer, durch kritisches Auswahlhören durchgeformter und dadurch in ihrer musikalischen Aussage verdichteter Formen, wobei die Akzentuierung trotz der Harmonisierungsaufgabe auf der freien Gestaltung liegt.“

Literatur

  • Mayer, Wolfgang: „Rhythmus Patterns. Blaupausen für einen stiltypischen Klaviersatz populärer Lieder“ In: Rolle, Christian/Schneider, Herbert (Hg.): Rhythmus! Studien und Materialien zur musikpädagogischen Arbeit über und mit Rhythmen. S.94-104; Regensburg ConBrio 2009
  • Noll, Günther: Liedbegleitung. Improvisierte Spielformen und Begleitmodelle am Klavier; Mainz: Schotts Söhne 1970
  • Wünsch, Christoph: Moderne Liedbegleitung. Harmonik Klaviersatz Stil Improvisation.; Wolfenbüttel: Möseler 1994